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Flipper auf atomarem Niveau

Ein Team aus Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD) am CFEL in Hamburg und der Universität Edinburgh hat jetzt durch ein verbessertes Probenhandling ein neues Reaktionszwischenprodukt entdeckt, das Tetraiodidradikalanion. Dieses Zwischenprodukt wurde als Ergebnis der eindeutigen Ordnung im Kristallgitter gebildet, um das dissoziierende Jod-Atom zu leiten – in einem Prozess der an eine Newtonsche Wiege in Quantengröße erinnert. Die Ergebnisse wurden jetzt in Nature Chemistry veröffentlich.

Die Photodissoziation von Triiodid Anionen ist eine klassische Lehrbuchreaktion, die sowohl in Lösung als auch in der Gasphase umfassend untersucht wurde. Das Sondieren der ultraschnellen Dynamik dieser Reaktion im festen Zustand war jedoch aufgrund der partiellen Reversibilität der Reaktion und ihrer Empfindlichkeit gegenüber experimentellen Bedingungen als schwierig erachtet worden.

Illustration der durch einen Laserpuls initiierten Photodissoziation von Triiodid und der sekundären Reaktion, die zu dem neuen 4-Atom-Zwischenprodukt führt, gefolgt von der Rekombinationsreaktion. Bild aus R. Xian et al. Nat. Chem. (2017), DOI: 10.1038/nchem.2751

In Lösung dissoziieren die Triiodidanionen überwiegend in Iodradikal und Diiodid Radikale. Das umliegende Lösungsmittel spielt bei der Trägheitsbegrenzung der Reaktionsprodukte eine passive Rolle, die letztlich einer geminaten und nicht-geminaten Rekombination unterliegen. In dem geordneten Ionengitter der Tetra-n-butylammonium-Triiodid-Kristalle wurde im Gegensatz dazu ein dramatisch unterschiedliches Verhalten gefunden. Hierbei beschränkt die lokale Geometrie die Reaktion, wodurch das primäre Photoprodukt, Iodradikal, durch das Gitter geführt wird, um eine Bindung mit einem benachbarten zu bilden. Dies führt zu einem sekundären Reaktionsprodukt, dem Tetraiodid-Radikal-Anion, was bisher nicht für diese Reaktion beschrieben wurde. Wie in der Abbildung gezeigt, sind die Reaktanten buchstäblich in dem Gitter ausgerichtet, um dieses Vier-Atom-Zwischenprodukt zu bilden.

„Die dissoziierten Iodatome kollidieren in einer Newtonschen Wiege (einfaches Kugelstoßpendel) in Quanten-Dimension mit anderen Triiodidmolekülen, um dieses neuartige Reaktionsprodukt zu bilden“, erklärt Dwayne Miller und fügt hinzu: „Am wichtigsten ist, dass wir gezeigt haben, dass das Gitter den Reaktionsweg der Festkörper-Photochemie kohärent auf Femto- bis Pikosekunden-Zeitskalen leitet.“

Dieses Phänomen konnte nur dank der neuen am MPSD entwickelten Proben-, Datenerfassungs- und Analysetechniken und der theoretischen Berechnungen an der Universität Edinburgh beobachtet werden. So konnten die elektronischen und vibrierenden Zuordnungen der verschiedenen Reaktionsteilnehmer erfolgen,  die bislang die detaillierteste Auflösung der Reaktionszwischenstufen sowie die kohärenten Modi, welche die Triiodid-Photodissoziationsreaktion treiben, ermöglichten. Miller: „Diese Beobachtungen bieten einen anderen konzeptionellen Rahmen, um über Reaktionsprozesse nachzudenken und können einen Weg zeigen, wie man chemische Systeme an ein Bad als Mittel zur Erhöhung der Längenskalen unter chemischer Kontrolle koppelt.“ Text: MPSD, Red.

Originalveröffentlichung:
Xian R., Corthey G., Rogers D. M., Morrison C. A., Prokhorenko V. I., Hayes S. A., Miller D. R. J.
“Coherent ultrafast lattice-directed reaction dynamics of triiodide anion photodissociation”
Nature Chemistry (online)
DOI: 10.1038/nchem.2751