Manchmal kann es ganz schnell gehen: ein Unfall oder ein Sturz und jemand aus der Familie wird zum Pflegefall. Pflegebedürftigkeit kann in allen Lebensabschnitten auftreten und konfrontiert viele Angehörige zusätzlich zur emotionalen Belastung mit einer Reihe organisatorischer und rechtlicher Probleme. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kommt erschwerend hinzu, dass sie die Pflege von Angehörigen mit ihrer Berufstätigkeit verbinden müssen. Wie die Balance gelingen kann, erläuterten mehrere Sachverständige beim Informationsabend zum Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Familie – Pflege von Angehörigen”, zu dem die beiden Exzellenzcluster CUI und CliSAP in Kooperation mit dem Familienbüro in die CliSAP-Räume am Grindelberg einladen hatten. Denn: „Auch Spitzenforschung und Familie sollen vereinbar sein“, betonte CliSAP Sprecher Professor Martin Claußen in seinen Begrüßungsworten.
Tatsächlich wurden 2011 bereits zwei Drittel aller knapp 2,5 Millionen Pflegebedürftigen (mit einer Pflegestufe) zu Hause versorgt. Etwa die Hälfte derjenigen, die zu Hause sind, erhalten professionelle Hilfe; die andere Hälfte wird von nicht dafür ausgebildeten Angehörigen gepflegt, rechnete Martin Moritz vor. Der Geschäftsführer der unabhängigen Angehörigenschule und examinierte Altenpfleger erläuterte sehr anschaulich die Probleme, die dabei entstehen und die zu erheblichen Belastungen der pflegenden Angehörigen führen können. Interessant für die rund 40 Zuhörerinnen und Zuhörer waren insbesondere seine Anregungen und Tipps für finanzielle und soziale Entlastung. Denn viele Probleme seien letztlich auf mangelnde Informationen zurück zu führen – etwa bei den Themen Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung. Darüber hinaus informierte Moritz unter anderem über kostenlose Schulungsmöglichkeiten und Ansprechpartner bei verschiedenen Krankheitsbildern wie Demenz, MS, Schlaganfall oder Parkinson. Es gehe darum, der Entwicklung zum „Einzelkämpfer-Dasein“ entgegen zu wirken und den Bedürfnissen von Angehörigen im Spannungsfeld Pflege und Beruf gerecht zu werden, so Moritz.
Denn besonders schwierig wird die Situation für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Karin Diedrichs, zuständig unter anderem für das Thema Pflege in der Personalentwicklung der Universität Hamburg, legte den Fokus auf die Themen Home-Office und Kurzzeit-Telearbeit und verwies auf den Pflegeleitfaden der Universität.
Irina Haan, Sachbearbeiterin Drittmittel der Universität Hamburg, stellte die vertraglichen Möglichkeiten (TV-L) vor – zum Beispiel die Reduzierung der Arbeitszeit aus familiären Gründen und die Nichtanrechnung im Rahmen des WissZeitVG.
Mit einem beharrlichen Vorurteil räumte die Gleichstellungsbeauftragte der Universität, Professorin Britta Ramminger, auf: „Krankenpflege und Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen liegen nicht genetisch nur bei Frauen.“ Darüber hinaus forderte die gelernte Krankenpflegerin „Kreativität, Flexibilität und Achtung gegenüber denjenigen, die Unterstützung benötigen“.