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Experimente mit Clustermantel: verzögerte Explosion

Wissenschaftler erforschen neue Technik, um bessere Momentaufnahmen von Molekülen zu erhalten

Bei der Untersuchung von Molekülstrukturen im Freie-Elektronen Laser kommt es auf Femtosekunden an: Jeder Lichtblitz bringt die untersuchte Probe zu einer schnellen Explosion, bei der die Probe im millionstel einer milliardstel Sekunde zerstört wird. Ein Forscherteam vom kalifornischen Forschungszentrum SLAC, der TU Berlin und DESY, zu dem auch CUI-Forscher Tim Laarmann gehört, hat an DESYs Röntgenlaser FLASH einen Weg untersucht, um die Explosion der Probe um die vielleicht entscheidenden Sekundenbruchteile zu verzögern. Bei ihren Experimenten, die jetzt im Fachjournal „Physical Review Letters“ vorgestellt wurden, haben die Wissenschaftler beobachten können, was in sogenannten Clustern, kleinen Anhäufungen von Atomen, bei intensiver Beleuchtung mit Röntgenlicht genau vorgeht. Laarmann: „Unsere Experimente zeigen, dass der Clustermantel den Kern für eine kurze Zeit mit Elektronen versorgt und so die Coulomb-Explosion herauszögert.“ Dies ist wertvolle Zeit, um in Imaging-Experimenten an FELs Streubilder von Molekülen zu erhalten, bevor sie zerstört werden.

Explosion

Impression der Explosion eines Kern-Mantel-Clusters

Röntgenlaser wie FLASH oder der im Bau befindliche European XFEL sind Hochgeschwindigkeitskameras für den Nanokosmos. Ihre energiereichen, ultrakurzen Röntgenpulse erlauben Einblicke in kleinste Dimensionen und ultraschnelle Prozesse. Das Problem: Jeder einzelne Blitz ist so intensiv, dass er die untersuchte Probe in ein dichtes Plasma verwandelt und letztlich zerstört. Denn beim Auftreffen des Blitzes werden schlagartig sehr viele der in den Atomhüllen enthaltenen Elektronen herausgeschlagen; zurück bleibt ein Molekülgerüst von hochgeladenen Ionen, die in einer sogenannten Coulomb-Explosion auseinandergeschleudert werden.

Umhüllung mit Mantelschicht

Eine Strategie, um den Verlust der Elektronen aufzuhalten, ist deren Umhüllung mit einer Mantelschicht. Diese wird während der heftigen Wechselwirkung mit dem Röntgenlicht zwar ebenfalls ionisiert; die im Mantel freigesetzten Elektronen werden jedoch vom Probenkern aufgenommen und gleichen den dortigen Verlust der Elektronen für eine kurze Zeit aus.

Zur Erforschung dieser Explosionsverzögerung präparierten die Wissenschaftler unter Leitung von Tim Laarmann kleine Cluster aus etwa 80 Xenon-Atomen im Kern, der von durchschnittlich etwa 400 Argon-Atomen ummantelt war. Diese Cluster beschossen sie mit dem intensiven FLASH-Röntgenstrahl und analysierten das innerhalb der ersten Femto- bis Pikosekunden emittierte Fluoreszenzlicht. Laarmann: „Wir konnten erstmals die durch die Wechselwirkung mit den FLASH-Pulsen erzeugten, extrem kurzlebigen Zustände innerhalb der ersten wenigen hundert Femtosekunden beobachten und genau sehen, welche Ladungszustände sich am Anfang im Cluster bilden.“  In weiteren Experimenten wollen die Wissenschaftler die Abhängigkeit der Verzögerung von der Größe der Cluster noch genauer erforschen.

Originalveröffentlichung:
„Hidden Charge States in Soft-X-Ray Laser-Produced Nanoplasmas Revealed by Fluorescence Spectroscopy“
Schroedter L., Müller M., Kickermann A., Przystawik A., Toleikis S., Adolph M., Flückiger L., Gorkhover T., Nösel L., Krikunova M., Oelze T., Ovcharenko Y., Rupp D., Sauppe M., Wolter D., Schorb S., Bostedt C., Möller T., and LaarmannT.
Phys. Rev. Lett. 112, 183401 (2014)
DOI: 10.1103/PhysRevLett.112.183401