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Analyse im All

In wenigen Tagen wird eine Transportrakete zur Internationalen Raumstation (ISS) starten. Mit an Bord: Proben aus der Arbeitsgruppe um Prof. Christian Betzel von der Universität Hamburg, die unter den besonderen Bedingungen der Schwerelosigkeit untersucht werden sollen.

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Auf der ISS können Proteinkristalle besser wachsen. Foto: NASA

Im Rahmen der Forschung im Exzellenzcluster CUI lässt die Arbeitsgruppe um Prof. Betzel von Mitte Februar 2017 bis Mitte März 2017 ein Experiment auf der ISS durchführen (der Start war zunächst für den 8. Februar geplant und wurde kurzfristig verschoben). Ziel ist es, die Herstellung von Mikro- und Nanokristallen zu optimieren. „Unter  Schwerelosigkeit besteht keine Konvektion und Sedimentation, das heißt, Proteinkristalle können dort grundsätzlich besser wachsen und sind von höherer Qualität, also ohne Fehlstellen und daher viel reiner“, erklärt der CUI-Wissenschaftler. Diesen Prozess wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler genauer analysieren.

Kristalle werden benötigt, um die dreidimensionale Struktur und Funktion von Biomolekülen bei atomarer Auflösung zu bestimmen. Das ist von essentieller Bedeutung für die Erforschung der Bausteine des Lebens und das Verständnis von Krankheiten. Hochmoderne Experimentierstationen für Serielle Femtosekundenkristallographie bieten heute die Möglichkeit, die atomare Struktur und Funktion von Biomolekülen aus extrem kleinen Kristallen bestimmen zu können. Betzel: „Die verwendeten Kristalle werden immer kleiner und müssen daher auch immer besser und reiner werden. Nur mit solch winzig kleinen Kristallen lassen sich bestimmte Proteine überhaupt erst untersuchen.“

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Auf der ISS steht ein spezielles Mikroskop zur Verfügung: Das LMM (Light Microscopy Module). Foto NASA

Die Proben für das Experiment auf der ISS wurden bereits im Dezember 2016 bei der NASA in den USA vorbereitet. Dabei haben die Forscher gezielt Verunreinigungen in Proteinlösungen eingebracht, die in genau berechneten Konzentrationsreihen für Kristallisationsexperimente auf der ISS genutzt werden, indem sie bestimmte Proteine chemisch modifizierten. Im All sollen nun der Einbau dieser Fehlstellen beobachtet und mit den Ergebnissen von Experimenten auf der Erde verglichen werden, um zu verstehen, wie es unter Gravitation zu Fehlern im Kristall kommt. Auf der ISS steht dafür ein spezielles Mikroskop (LMM, Light Microscopy Module) zur Verfügung, dessen Daten per Video live auf ein geschütztes PC-System im Labor der Arbeitsgruppe im Institut für Biochemie und Molekularbiologie übertragen werden. Zurück auf der Erde werden die Kristalle mit Hilfe von Synchrotronstrahlung am DESY weiter analysiert. Erkenntnisse dieses Forschungsprojektes werden Vorgehensweisen zur gezielten Herstellung von Proteinkristallen, die zukünftig auch am European XFEL genutzt werden sollen, wesentlich voranbringen.

Betzel: „Wir haben dieses Experiment auf der ISS gemeinsam mit Kollegen in den USA schon 2013 beantragt.“ Vorausgegangen war eine Ausschreibung der NASA „Research Opportunities in Complex Fluids and Macromolecular Biophysics“, bei der es insbesondere auch um die Analyse von Massentransport unter 0g, also Schwerelosigkeit, gehen sollte. „Hier haben wir uns entsprechend beworben, und schon früh auch Kooperationspartner in den US gewinnen können. Wie auch bei ESA ist die dann folgende Auswahl der Anträge sehr kompetitiv, auch nach der Vorauswahl folgen noch einige Hürden und viele Auflagen“, erklärt der CUI-Wissenschaftler. Einschließlich der Vorbereitungszeit für so ein Experiment muss daher mit zwei bis drei Jahren Vorlauf geplant werden. Dabei müssen viele Randbedingungen berücksichtigt werden, da zum Beispiel nur ganz bestimmte Hardware und Materialien, in diesem Fall ausgewählte Glaskappilaren, für die ISS zugelassen sind.

Das Vorhaben wird auch von der Deutschen Agentur für Luft- und Raumfahrt (DLR) unterstützt. Text: PM UHH/Adler