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Doppel-Blitze mit Attosekunden-Präzision

Mit einem raffinierten Spiegel können Wissenschaftler die Phase von DESYs Freie-Elektronen-Laser FLASH auf wenige Attosekunden genau kontrollieren. Der Erfolg ermögliche neuartige Untersuchungen der Wechselwirkung von Licht und Materie, wie das Team um CUI-Forscher PD Dr. Tim Laarmann (DESY) im Fachblatt „Nature Communications“ berichtet. Eine Attosekunde ist ein Milliardstel einer milliardstel Sekunde.

Die lamellenartig aufgebaute Spiegeloptik teilt einen eintreffenden Röntgenpuls in zwei Teile. Der Teil, der von den tiefer gelegenen Lamellen reflektiert wird, muss dabei einen längeren Weg zurücklegen und lässt sich auf diese Weise mit Attosekunden-Präzision verzögern. Bild: Sergey Usenko, DESY

Die Phase gibt an, an welchem Punkt ihrer schnellen Schwingung sich eine Lichtwelle in Raum und Zeit gerade befindet. Phasenempfindliche Messungen, die für detaillierte Einblicke in die Wechselwirkung von Licht und Materie von großer Bedeutung sind, erfordern Lichtpulse mit kontrollierter Phase. In der konventionellen Optik ist die Phasenkontrolle zwar seit langem eine etablierte Technik, die weiche Röntgenstrahlung von FLASH schwingt jedoch hundertmal schneller als sichtbares Licht, was auch eine hundertmal genauere Präzision nötig macht.

Die Wissenschaftler haben jetzt erfolgreich eine Phasenkontrolle sowie eine sogenannte interferometrische Autokorrelationsmessung an FLASH demonstriert, indem sie mit einem zweigeteilten Spezialspiegel einen Röntgenpuls in zwei parallele Teilstrahlen aufgespalten haben, die sich gezielt gegeneinander verzögern lassen. Dieser Transfer eines wichtigen optischen Verfahrens zu kurzen Wellenlängen ebnet den Weg zur Nutzung hochentwickelter nichtlinearer Methoden an Freie-Elektronen-Lasern (FEL), die auf dem Prinzip der selbstverstärkenden spontanen Emission („SASE“) beruhen wie FLASH.

Freie-Elektronen-Laser werden von energiereichen Teilchenbeschleunigern gespeist und erzeugen laserartige Lichtpulse, indem sie Pakete schneller Elektronen durch eine magnetische Slalomstrecke schlingern lassen. Die FEL-Forschung hat zahlreiche grundlegende Erkenntnisse in einem breiten Themenspektrum ermöglicht, von der Grundlagenforschung in den Lebenswissenschaften bis hin zu Anwendungen in den Materialwissenschaften wie etwa der chemischen Katalyse. Insbesondere erlaubt der hohe Kohärenzgrad des FEL-Lichts Schlüsselanwendungen wie die serielle Femtosekunden-Kristallographie, bei der zahlreiche Mikrokristalle einer Substanz mit Serien ultrakurzer Röntgenblitze untersucht werden, um die räumliche Struktur der Kristallsubstanz zu bestimmen.

Kohärenz beschreibt die Eigenschaft von Laserlicht, dass alle Lichtwellen im Gleichtakt schwingen. In jüngerer Zeit ist insbesondere die zeitliche Kohärenz, die sogenannte seeded FEL liefern, in den Fokus der Forscher geraten. „Es hat sich gezeigt, dass die volle Kontrolle über die Phase der Lichtwelle eine neue Klasse phasenempfindlicher Experimente bei kurzen Wellenlängen ermöglicht wie etwa die nichtlineare Wellenmischung und die ultraschnelle kohärente Kontrolle“, erläutert Erstautor und CUI-Mitglied Sergey Usenko, der mit dieser Arbeit seinen Doktortitel an der Universität Hamburg erlangt hat. „Diese neuartigen Röntgenmethoden geben der modernen Laserforschung neue Impulse, um Energie-, Ladungs- und Informationstransport-Phänomene auf der Attosekunden-Zeitskala und der Nanometer-Längenskala in Materie, Materialien und deren Bausteinen zu erkunden.“ Ein Nanometer ist ein millionstel Millimeter.

Der Schlüssel zum atomistischen Verständnis komplexer Funktionen wie etwa der Entstehung chemischer Bindungen ist die ultraschnelle Bewegung von Elektronen, die den Gesetzen der Quantenmechanik gehorchen. „Insbesondere die Information über die Phasenentwicklung eines Wellenpakets, die Änderungen in der elektronischen und der Kernstruktur beschreibt, ist der Schlüssel zur Kontrolle des Pakets in Raum und Zeit“, betont Laarmann. „In der Optik lässt sich die Information über die Phase einer voranschreitenden Lichtwelle direkt mit interferometrischen Verfahren gewinnen. Im vergangenen Jahrzehnt sind analoge Methoden entwickelt worden, um ähnliche Informationen über die Dynamik ultraschneller Elektronen-Wellenpakete in Atomen, Molekülen, Clustern und Festkörpern zu gewinnen.“

Skizze des Versuchsaufbaus: Der eintreffende Röntgenpuls wird von der „Split-and-Delay-Unit“ (Spezialspiegel) geteilt und auf einer Probe zur Überlagerung gebracht. Bild: Sergey Usenko, DESY

Voraussetzungen für diese Art Experiment, die Laarmanns Forschungsgruppe am CUI betreibt, sind die Phasenstabilität der Lichtquelle sowie die Möglichkeit, die Phase der Lichtwelle auf der Attosekunden-Zeitskala zu kontrollieren. Die Forscher haben diese Attosekunden-Phasenkontrolle von FEL-Licht nun erreicht, indem sie zwei phasenstabile Teilpulse eines SASE-Pulses hergestellt und deren Interferenz beobachtet haben.

Die Messungen haben an der Monochromator-Experimentierstation PG2 an FLASH stattgefunden. „Wir haben den Ausgangsspalt mit variabler Breite benutzt, um eine SASE-Mode auszuwählen“, berichtet der Leiter der Station, Günter Brenner von DESY. „Die ausgewählte spektrale Bandbreite ist dabei erheblich kleiner als die Breite individueller Moden.“

„Die Interferometrie mit weicher Röntgenstrahlung erfordert eine Oberflächengüte und Positionskontrolle der reflektierenden Optik auf einer Größenordnung unterhalb der Wellenlänge, also mit Nanometer-Präzision“, betont Ko-Autor Detlef Kip von der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg, dessen Gruppe die speziellen Spiegelelemente gefertigt hat. „Krümmungsfehler führen zu einer Verzerrung der Wellenfront des entsprechenden Teilstrahls und reduzieren die gegenseitige Kohärenz der Teilpulse in der Größenordnung einiger Prozent.“

Allerdings ist selbst dieser Wert noch ausreichend, um eine reichhaltige Interferenz-Struktur zu beobachten, wenn der Strahl etwa auf Xenon-Gas fokussiert wird. Die dabei erzeugte räumliche Verteilung der Gas-Ionen hängt von der relativen Phase der um Attosekunden gegeneinander verzögerten Lichtfelder ab, also von der Differenz der Laufstrecken beider Teilpulse, die im Spezialspiegel erzeugt wird. Wie präzise die Phase kontrolliert werden kann, hängt damit davon ab, wie präzise sich die Verzögerung für jedes Pulspaar messen lässt. Im aktuellen Experiment ließ sich die exakte Autokorrelationsverzögerung bestimmen, indem gleichzeitig die Oberflächentopographie der Spiegeleinheit mit Nanometer-Präzision über ein Weißlicht-Vakuum-Interferometer vermessen wurde.

Die Methode ermöglicht kontrastreiche interferometrische Studien direkt in der Zeit-Domäne , sogar an nur teilweise kohärenten SASE-Lichtquellen. Die volle Kontrolle über die relative zeitliche Phase in den FEL-Pulskopien erlaubt dabei beispielsweise, Energie- und Ladungstransportprozesse in Systemen zunehmender Komplexität mit bislang unerreichter zeitlicher und räumlicher Auflösung zu verfolgen und möglicherweise zu kontrollieren. Text: DESY/Red.

Originalarbeit:
Sergey Usenko et al.
„Attosecond interferometry with self-amplified spontaneous emission of a free-electron laser“
Nature Communications, 2017
DOI: 10.1038/NCOMMS15626