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CUI-Wissenschaft basiert auf der Technik, für die es den Nobelpreis gab

Gestern hat das Nobel Kommittee im schwedischen Stockholm die diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger präsentiert. Donna Strickland ist eine von nur drei Frauen, die jemals mit einem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurden. Gemeinsam mit dem US-Amerikaner Arthur Ashkin und dem Franzosen Gérard Mourou wurde die kanadische Wissenschaftlerin in diesem Jahr „für bahnbrechende Erfindungen auf dem Gebiet der Laserphysik“ geehrt – und es ist genau die von ihr entwickelte Technik, auf der die moderne Laserforschung basiert, und damit auch die CUI-Forschung. Und dennoch: Donna Strickland erhielt den Nobelpreis, bevor es auch nur eine Seite bei Wikipedia über sie gab. Wir sprachen mit Francesca Calegari, Professorin an der Universität Hamburg und führende Wissenschaftlerin bei DESY, über Strickland, ihre Arbeit und ihre Publicity. Calegari wird als Vorstandsmitglied im neuen Cluster „Advanced Imaging of Matter“ den Bereich Gleichstellung verantworten.

Illustration der CPA-Technik. Copyright: Johan Jarnestad/The Royal Swedish Academy of Sciences

Frau Calegari, können Sie die Forschung, für die Donna Strickland den Nobelpreis erhielt, in wenigen Worten erklären?

Calegari: Die Forschung, für die Strickland den Preis erhalten hat, stammt schon aus dem Jahr 1985, als sie Doktorandin bei Gérard Mourou war (mit dem sie sich den Nobelpreis teilt) und mit Lasertechnologie experimentierte. Ihre Arbeit machte den Weg frei für die Erzeugung der hellsten und kürzesten Laserpulse. Der Artikel „Compression of amplified chirped optical pulses“, der ausschlaggebend für die Entscheidung des Nobelpreis-Komitees war, gehört noch immer zu den richtig wichtigen Artikeln in der Laser Community. Es ist einer der ersten Artikel, die man als Student im Bereich Laserphysik liest.

Ohne die Erfindung von CPA würde es Francesca Calegari’s Gebiet der Attosekunden-Forschung nicht geben. Foto: Calegari

Warum ist ihre Erfindung so wichtig für Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen?

Calegari: Sie hat dauerhafte Auswirkungen in verschiedene Richtungen. Die Technik, die sie erfunden hat, heißt Chirped Pulse Amplification (CPA). Sie ist die Basis die Erzeugung ultraheller Laserpulse mit sehr viel Energie bei sehr kurzer Dauer, die nicht nur in der Grundlagenforschung sehr nützlich sind, sondern auch für Industrie und Medizin. Ultrastarke Intensivpulse werden gegenwärtig zum Beispiel in der Materialbearbeitung genutzt, bei Operationen am Auge, zur Erzeugung von Elektronen-Positronen-Paaren, zur Zündung der Kernfusion in der Fusions-Energieforschung und zur Beschleunigung von Protonen im Rahmen einen Protonentherapie bei Krebserkrankungen. Viele Gruppen hier im CFEL nutzen oder entwickeln sogar Laserquellen, die auf CPA basieren – sie ist eine Voraussetzung für unsere Grundlagenforschung. Ohne CPA würde es mein Gebiet der Attosekunden-Forschung  nicht geben. Wir nutzen die intensiven Pulse, um die Erzeugung der Attosekundenlichtpulse (1as = 10-18 s) zu steuern. Das sind die bislang kürzesten Pulse, die man erzeugen kann. Mit Hilfe dieser Licht-Transienten können wir die elektronische Dynamik in Materie direkt beobachten.

Donna Strickland gewann den Preis, bevor sie bei Wikipedia akzeptiert wurde. Können Sie sich diesen vermeintlichen Mangel an Publicity erklären?

Calegari: Nein, ich verstehe wirklich nicht, warum sie keine Publicity erhalten hat. Allerdings war ich auch wirklich erstaunt, dass sie nur assoziierte Professorin ist und keine Professorin. Vielleicht zeigt das einmal mehr, dass Frauen sich nicht trauen, sich um Top-Positionen zu bewerben. Dabei ist es so wichtig, sich zu bewerben und ich würde die Gelegenheit gerne nutzen und an alle Nachwuchswissenschaftlerinnen appellieren: Bewerbt euch, versucht es!

Haben Sie Donna Strickland jemals getroffen?

Calegari: Nein, aber ich habe schon als junge Studentin von ihr gehört. Ich kannte ihre Publikation und ihren Namen. Soweit ich weiß, kennen viele Kolleginnen und Kollegen hier im CFEL sie nicht persönlich. Wir denken aber gerade darüber nach, nächstes Jahr einen Workshop zum Thema des Nobelpreises zu organisieren.

In einem  Interview für Nature entschuldigt sich Reporterin Elizabeth Gibney bei Donna Strickland dafür, dass sie nach dem Frauenthema fragt. Wie gehen Sie mit Gender-Fragen um?

Calegari: Donna Strickland schien etwas überrascht über die Fokussierung auf das Thema Frauen. Sie sagte: „Ich sehe mich als Forschende, nicht als Frau in der Forschung.“ Ich denke, so sollten wir mit der Gender-Thematik umgehen, wir sollten die Forschung und unsere Leistungen an die erste Stelle setzen. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich intensiv daran arbeite, dass sich die nächste Generation von Wissenschaftlerinnen gar nicht mehr mit Gender-Fragen befassen muss, weil eine Frau in der Wissenschaft dann schlicht eine Forschende ist.

Im neuen Cluster „Advanced Imaging of Matter“ werden Sie für die Gleichstellung verantwortlich sein. Wo setzen Sie dort die Prioritäten?

Calegari: Eine Priorität wird es sein, die hervorragenden Initiativen des „Hamburg Centre for Ultrafast Imaging“ fortzusetzen. Das sind zum Beispiel das Mildred Dresselhaus Gastprofessorinnenprogramm, in dessen Rahmen jeweils zwei international hochanerkannte Wissenschaftlerinnen nach Hamburg geholt werden, und das Louise Johnson Fellowship, mit dem herausragende Wissenschaftlerinnen ausgezeichnet werden, bei denen sich schon früh das Potential für unabhängige Forschung zeigt. Wir werden daran arbeiten, dass das Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern eine Priorität im Recruiting-Prozess des Clusters bleibt und wir werden Doktorandinnen und weibliche Postdocs mit einem Mentoring-Programm bei der Entwicklung einer erfolgreichen Karriere unterstützen. Ich hoffe, dass es in der Zukunft noch viel mehr Nobelpreisträgerinnen geben wird!

Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Ingeborg Adler, CUI