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C – Dynamics of Order Formation on the Nanoscale

Das Forschungsfeld C zur Dynamik der Ausbildung von Ordnung auf der Nanoskala erweitert die Arbeiten der anderen Felder auf der molekularen Ebene um Untersuchungen auf der Nanoskala, wo kollektive Effekte die Materialeigenschaften bestimmen.

Das Studium ultraschneller Ordnungsphänomene und Nukleationsprozesse ist sowohl für das Verständnis von Materialien von zentraler Bedeutung als auch für die Entwicklung von Werkzeugen für die Nanowissenschaften. Mit den neuen Röntgenstrahlungsquellen kann man Ordnung und Keimbildung auf der fundamentalen Zeitskala der atomaren Mobilität in Festkörpern und Lösungen untersuchen und sogar kurzlebige transiente Zustände erfassen. Das Forschungsfeld C unterteilt sich in drei Schwerpunkte, in denen zeitaufgelöste Untersuchungen von Ordnungsphänomenen auf der Nanoskala durchgeführt werden. Der Schwerpunkt C.1 beschäftigt sich mit der Bedeutung transienter Strukturen in molekularen Flüssigkeiten wie Wasser und mit der Bedeutung von Struktur-Korrelationen für den Glasübergang. Im Schwerpunkt C.2 untersuchen wir Nukleations- und Wachstumsprozesse von Nanoteilchen und stellen einen Bezug ihrer Form und Phasenübergänge zu externen Triggern her. Der Schwerpunkt C.3 schließlich untersucht ultraschnelle Spinordnungsprozesse in Nanostrukturen unter dem Einfluss der dipolaren Wechselwirkung und der Austausch-Wechselwirkung.

 

Forschungsschwerpunkt C.1: Korrelationen und Dynamik in ungeordneten Modellsystemen

Darstellung der Struktur von Wasser [Y. Zubavicus and M. Grunze: Science 304, 974 (2004)]

Im Gegensatz zu kristallinen Festkörpern weisen ungeordnete Materialien wie Flüssigkeiten oder Gläser keine Translationsordnung auf, können jedoch verschiedenartige lokale Strukturen ausbilden. Basierend auf Computersimulationen wurde eine ikosaedrische Ordnung vorgeschlagen. Diese Symmetrien sind (wohl) nur von transienter Natur, existieren nur für eine kurze Zeit und sollen ursächlich für das Auftreten unterkühlter Flüssigkeiten und die Existenz eines Glaszustandes verantwortlich sein. Sehr wenig ist bisher über die mikroskopische Struktur von Flüssigkeiten und Gläser bekannt, obwohl sie seit Jahrzenten im Zentrum wissenschaftlicher Untersuchungen stehen. Diese Wissenslücken lassen sich mittlerweile durch die Verwendung ultrakurzer und kohärenter Röntgenstrahlungspulse von Freie-Elektronen-Lasern schließen, wie sie an der Linac Coherent Light Source (LCLS) oder dem Europäischen XFEL zur Verfügung stehen. Im Schwerpunkt C.1 untersuchen wir komplexe Flüssigkeiten und konzentrieren uns  auf die Fragen ob Orientierungsordnung für den Glasübergang verantwortlich ist (C.1.1) und inwieweit lokale transiente Strukturen das merkwürdige Verhalten von komplexen Flüssigkeiten wie Wasser erklären können (C.1.2). Um derartige lokale Strukturen aufzuklären, entwickeln wir für beide Fragestellungen Korrelationsfunktionen höherer Ordnung im Rahmen einer Röntgenstrahlung-Kreuz-Korrelations-Analyse (X-ray cross correlation analysis, XCCA).

Teilprojekt C.1.1 konzentriert sich auf die Untersuchung der Struktur und Dynamik von Glas-bildenden kolloidalen Flüssigkeiten. Diese stellen wichtige Modellsysteme für die Physik von Flüssigkeiten und Gläsern dar, denn Parameter wie die Dichte und Ausdehnung sowie die Wechselwirkungspotentiale können nahezu beliebig gewählt und eingestellt werden. Insbesondere ist das gesamte Phasendiagramm einschließlich der Flüssig-, Kristall- und Glasphase zugänglich. Im Rahmen dieses Teilprojekts überprüfen wir verschiedene Szenarien für den Glasübergang, indem wir die lokale Ordnung von der flüssigen bis zur glasartigen Phase untersuchen.

Teilprojekt C.1.2 erforscht die Struktur von Wasser und molekularen Flüssigkeiten. Man vermutet, dass verschiedenartige lokale geordnete Strukturen in Wasser ausgebildet werden können, die wiederum für die einzigartigen Eigenschaften von Wasser verantwortlich sein sollen. Obwohl verschiedene Studien mittels Simulationen und spektroskopischer Untersuchungen die Vorstellungen zur Bedeutung  lokaler Strukturen untermauern, fehlt eine direkte experimentelle Bestätigung. Seit Freie-Elektronen-Laser für harte Röntgenstrahlung zur Verfügung stehen, ist es erstmals möglich Schnappschüsse der instantanen Struktur von Wasser mit XCCA aufzunehmen. Abgesehen von Wasser werden lokale Strukturkorrelationen z.B. in Form ikosaedrisch geordneter Cluster auch in einfachen monoatomaren Flüssigkeiten wie etwa flüssigen Metallen erwartet. Da flüssige Metalle Röntgenstrahlen stark beugen, sind sie ideal dafür geeignet, XCCA erstmals auf der atomaren Längenskala anzuwenden.


Forschungsschwerpunkt C.2: Strukturbildung in Nanomaterialien

Die Verwendung funktionaler Nanomaterialien in Medizin, Technik, Energie- und Informationstechnik ist stark darauf angewiesen, in welchem Umfang wir ihre Bildung und Eigenschaften auf der atomaren Ebene kontrollieren können. Sehr kleine Nanokristalle weisen atomar definierte Strukturen auf, bei denen Molekülorbitale die elektronischen und optischen Eigenschaften bestimmen. Geht man zu größeren Nanomaterialien, findet ein Übergang zu makroskopischen Volumeneigenschaften und einer kontinuierlichen Bandstruktur statt. In diesem Forschungsschwerpunkt betrachten wir die strukturelle Ausbildung und das Wachstum von Nanomaterialien sowie deren von außen gesteuerte Transformationen. Wir erforschen die damit verbundene Dynamik und Kinetik auf atomarer Ebene durch Röntgenstreuung und spektroskopische Methoden, die uns erlauben, die ablaufenden Prozesse auf der relevanten Zeit- und Längenskala zu verfolgen. Diese Aktivitäten sind methodisch mit den Pump-Probe-Techniken des Forschungsfeldes B und den Kreuzkorrelationsmethoden des Schwerpunkts C.1 verbunden. Das erworbene Wissen wird es uns schließlich erlauben, das Verhalten von Materie auf der mesoskopischen Skala durch atomare Kontrolle zu beeinflussen, um elektronische, optische, magnetische und mechanische Eigenschaften maßgeschneidert einstellen zu können.

Im Wesentlichen verfolgen wir zwei Forschungsrichtungen:

  • Zum einen verfolgen und analysieren wir die anfänglichen Nukleationsereignisse, die zur Ausbildung von lokaler atomarer Ordnung und Reaktionszwischenprodukten führen. Während spätere Stadien der Nukleation und des Wachstums durch Kontinuumstheorien beschrieben werden können, die auf makroskopischen Konzepten wie der Oberflächenspannung basieren, ist für ein Verständnis der Charakteristiken der transienten lokalen Ordnung im Anfangsstadium eine atomare Betrachtung nötig. Unsere Experimente mit Nanosystemen aus Metallen und Halbleitern werden daher durch die Entwicklung geeigneter atomistischer Modelle und entsprechender theoretischer Untersuchungen der Dynamik und Kinetik der anfänglichen Nukleationsereignissen ergänzt und begleitet. Weitere Fragen, die uns interessieren, drehen sich darum, wie eine Oberflächenmodifikation mit Liganden die Eigenschaften von Nanoclustern beeinflusst und wie Nukleation und Wachstum in begrenzten Geometrien, z.B. in porösen Matrizen, aussehen.
  • Unsere zweite übergeordnete Fragestellung behandelt die Form und die Phasentransformationen von Nanoteilchen. Hier konzentrieren wir uns insbesondere auf Schmelz- und anschließende Rekristallisationsprozesse, die wir mit Röntgenstreuung und optischer Spektroskopie betrachten. Im Gegensatz zu Volumenübergängen mit ihrem typischen stochastischen Festkörperverhalten werden Phasenübergänge in Nanokristallen üblicherweise von Einzelteilchenereignissen geprägt, so dass damit verbundene Strukturänderungen vollständig reversibel sind. Nanoteilchen stellen daher ein ideales Modellsystem dar, um die grundlegenden Mechanismen extern ausgelöster Phasenübergänge in unterschiedlichen Umgebungen (z.B. in Lösung, auf Substraten, in begrenzten Geometrien) auf der atomaren Ebene zu untersuchen. Des Weiteren legen wir ein besonderes Augenmerk auf die räumlich und zeitlich aufgelöste Untersuchung der Schmelzmechanismen von Nanoheterokontakten mit vorgegebener wohldefinierter Zusammensetzung.

 

Forschungsschwerpunkt C.3: Ultraschnelle Spindynamik in magnetischen Nanosystemen

Das enorme Potential der ultraschnellen Manipulation von Spins für Anwendungen in der Informationsspeicherung, -verarbeitung  und  dem Informationszugriff führt zu einem wachsenden Interesse an angeregten Zuständen und Nichtgleichgewichts-Eigenschaften von magnetischen Nanostrukturen.

In Ferromagneten führt die typische Austauschenergie (eV) zu einer charakteristischen Zeitskala im fs-Bereich wohingegen die Entmagnetisierungsenergie (meV) Prozesse im ps-Bereich und darüber hinaus dominiert. Räumlich begrenzte Systeme, in denen beide Wechselwirkungen auftreten, sind interessante Untersuchungsobjekte. Spinwellen in begrenzten Ferromagneten stellen ein prototypisches Problem mit mehreren Zeitskalen dar. Im integrierten Forschungsprojekt „Beobachtung der Dynamik von ferromagnetischen Nanostrukturen mit Kernresonanzstreuung“ verwirklichen wir neue experimentelle Methoden, um Spinwellen in begrenzten Geometrien auf der sub-ns Zeit- und sub-nm Längenskala auflösen zu können.

Kagome Gitter mit ferromagnetischen Nanostrukturen.

Unser Ziel ist es, Spinwellen in frustrierten lateralen ferromagnetischen Nanostrukturen zu untersuchen. Vor einiger Zeit ist künstliches Spin-Eis als ein begrenztes ferromagnetisches System ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Spin-Eis besitzt kein ausgezeichnetes Energieminimum und stellt daher ein Modellsystem für Frustrationsphänomene dar, das an (Wasser-)Eis erinnert. In geometrisch frustrierten Einzeldomänen-Magneten schafft die Dipolwechselwirkung ein zweidimensionales Analogon von Spin-Eis in Kristallen. Statische Abbildungen der magnetischen Momente individueller Elemente bringen lokale Frustrationen zum Vorschein. Die sogenannte Eisregel legt die energetisch günstigste Konfiguration fest, wobei eine vollständige Kompensation der lokalen Streufelder prinzipiell nicht möglich ist. In solchen Gittern zeigen sich Spinwellenanregungen deutlich im Frequenzspektrum der Amplituden magnetischer Anregungen, typischerweise zwischen zehn und bis zu 100 GHz. Die Natur dieser Spinwellenanregungen und ihrer Dispersionsrelation wird durch Vektor-Netzwerkanalysator-Ferromagnetische-Resonanz-Spektroskopie (VNA-FMR) zusammen mit Messungen an der P01 Strahllinie bie PETRA III charakterisiert. Die Experimente bewegen sich an der Grenze der mit herkömmlicher magnetischer Mikroskopie möglichen zeitlichen und räumlichen Auflösung, können jedoch durch Kernresonanzstreuung von Synchrotronstrahlung (NRS) verwirklicht werden. Zeitaufgelöste NRS ist ein erprobtes Mittel, um tiefaufgelöste Spinstrukturen in magnetischen Filmen und Nanostrukturen mit einer räumlichen Auflösung im sub-nm Bereich zu bestimmen. Die Technik ist von vornherein empfindlich für zeitabhängige Prozesse wie magnetisches Schalten und Relaxationsphänomene.

Die Experimente des Forschungsschwerpunkts ermöglichen einzigartige Einsichten in die topologischen Aspekte von frustrierten Spinsystemen und deren Dynamik. Darüber hinaus bestehen interessante Anknüpfungen zum Mechanismus, der zu Frustrationen in der Bindungsordnung führt, wie er im Schwerpunkt C.1 für Wasser/Eis und Gläser untersucht wird.

 

Beteiligte Forschungsgruppen

  • Prof. P. Alivisatos
  • Prof. J. Bachmann
  • Prof. G. Bester
  • Prof. H. Chapman
  • Prof. M. Drescher
  • Prof. M. Fröba
  • Prof. G. Grübel
  • Prof. C. Klinke
  • Prof. H. Lange
  • Dr. G. Meier
  • Prof. A. Mews
  • Prof. R.J.D. Miller
  • Prof. K. Nielsch
  • Prof. H.P. Oepen
  • Dr. R. Röhlsberger
  • Dr. M. Schnell
  • Prof. H. Weller