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Dispersionskontrollfreaks: CUI-Forscher finden „Missing Link“

Zukünftige Experimente in der Attosekunden- und Hochfeldphysik  würden von einer gezielten, präzisen Formung des elektromagnetischen Feldes innerhalb einer Lichtperiode profitieren. Eine Gruppe von CUI-Wissenschaftlern um Shih-Hsuan Chia konnte erstmals Optiken zur präzisen Dispersionskontrolle über mehr als 2 Oktaven optischer Bandbreite demonstrieren, die mehrere zehn mJ Pulsenergie zerstörungsfrei aushalten können. Dem Team ist es damit gelungen, ein lang gesuchtes Bindeglied für hochenergetische Wellenformsynthesizer zu finden. Für seine Präsentation der Forschungsergebnisse auf der Advanced Solid-State Lasers Conference (ASSL 2014) in Shanghai erhielt Shih-Hsuan Chia aus der Ultrafast Optics and X-rays Gruppe am CFEL einen Preis für die beste Präsentation in der Kategorie “Sources”.

Viele physikalische Prozesse in der Attosekunden- und Hochfeldphysik hängen sensitiv von der genauen Zeitentwicklung des elektrischen Feldes E(t) eines Lichtpulses ab. Bislang kommen in den meisten Experimenten zur Beoachtung und Kontrolle solcher ultraschnellen Prozesse routinemäßig Titan:Saphir-Laserverstärkersysteme mit aktiver Stabilisierung der Träger-Einhüllende-Phase (CEP) zum Einsatz. Die damit erzeugten Lichtpulse bei 0,8 µm Wellenlänge werden anschließend in gasgefüllten Hohlkernfasern spektral verbreitert und dann zu Pulsdauern von wenigen optischen Lichtzyklen (<5 fs) komprimiert.

Diese wohletablierte Technologie stößt jedoch auf unüberwindliche Hindernisse, wenn man versucht, Pulsenergie, Pulswiederholrate und spektrale Abdeckung zu erhöhen, um Experimente mit größeren Anforderungen durchführen zu können. Eine Alternative sind parametrische Wellenformsynthesizer. Sie bieten deutlich bessere Perspektiven für die gleichzeitige Skalierung der Pulsenergie in den multi-mJ Bereich und der Pulswiederholrate in den Bereich von zehn bis Hunderten von kHz. Dank dieser Perspektiven ist diese Technologie äußerst attraktiv für neuartige Quellen von Attosekundenpulsen im extrem-ultravioletten (XUV) Spektralbereich, die durch den nichtlinearen Prozess der Erzeugung hoher Harmonischer (HHG) von ultrakurzen Laserpulsen in Gasen entstehen – beispielsweise für die Attosekunden-Forschungseinrichtung ELI-ALPS, die extreme Betriebsparameter anvisiert.

Parametrische WeichensynthesizerAus diesen Gründen entwickelt die CFEL Ultrafast Optics & X-Rays (CFEL-UX) Gruppe von Prof. Franz X. Kärtner (DESY, Universität Hamburg) in Kollaboration mit der Gruppe von Prof. Giulio Cerullo vom Politecnico di Milano parametrische Wellenformsynthesizer, wie im Bild skizziert.

In der vorgestellten parallelen Synthesizer-Architektur wird ein selbst-CEP-stabilisiertes Seed-Weißlicht, das mehr als 2 Oktaven optischer Bandbreite abdeckt, durch gechirpte dichroitische Spiegel (CDM1,2) in drei parallele Kanäle mit optisch parametrischen Verstärkern (VIS/NIR/MIR OPA) aufgeteilt. Nach Verstärkung liefern diese drei Kanäle zusammen >2 mJ Pulsenergie; die kombinierte Bandbreite reicht für die Erzeugung von Wellenformen von nur ~2-Femtosekunden Dauer aus. Für die kohärente Wellenformsynthese werden die verstärkten Pulse aus den drei Kanälen wieder mit gechirpten dichroitischen Spiegeln rekombiniert; die Ankunftszeiten der einzelnen Pulse werden mit Hilfe von optischen Gegentakt-Kreuzkorrelatoren („balanced optical cross-correlator“ BOC) aktiv mit Attosekundenpräzision synchronisiert – eine Methode, die ebenfalls von der Kärtner Gruppe entwickelt wurde.

In ihrem neuen Optica Artikel demonstrieren Shih-Hsuan Chia und seine CUI-Forscherkollegen nun das  lang gesuchte Bindeglied: Optiken, die eine präzise Dispersionskontrolle über mehr als 2 Oktaven erlauben – die gechirpten dichroitischen Spiegel (CDM1,2) und ein Paar von doppelt gechirpten Spiegeln (DCM). Diese neuen Optiken erlauben es erstmals, solch extreme optische Bandbreiten mit nahezu perfekter Effizienz zu teilen/rekombinieren und schließlich die >2-oktavbreiten multi-mJ Wellenformen innerhalb der Vakuumkammer des Attosekundenexperiments bis auf ~2-fs Pulsdauer zu komprimieren. Das verwendete Schema zur Dispersionskontrolle vermeidet dabei unerwünschte Kerr-Nichtlinearitäten im Substrat des letzten CDM1 und im Eintrittsfenster der Vakuumkammer, die die Qualität der Wellenformen beeinträchtigen würden.

 

Originalarbeit:
Chia S.-H., Cirmi G., Fang S., Rossi G. M., Mücke O. D., Kärtner F. X.
“Two-octave-spanning dispersion-controlled precision optics for sub-optical-cycle waveform synthesizers”
Optica, Vol. 1, Issue 5, pp. 315-322 (2014)
DOI: 10.1364/OPTICA.1.000315