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Topologie eröffnet faszinierende neue Materie-Zustände

Die meisten Vielteilchen-Quantensysteme, die in der Natur vorkommen, lassen sich anhand gebrochener Symmetrien kategorisieren. Häufig wird dabei die Translations­symmetrie gebrochen – das ist zum Beispiel der Fall, wenn Wasser zu Eis gefriert. Für Quantenmaterie hält die Natur jedoch noch ein weiteres Ordnungsprinzip vor: die Topologie. Im Fachmagazin Physical Review Letters stellen CUI-Prof. Andreas Hemmerich (Universität Hamburg) und seine Kollegen von der Universität Utrecht und vom Wilczek Quantum Center in Hangzhou zwei neue Studien zur Topologie vor, die helfen könnten, die Rolle der Topologie bei der Entwicklung innovativer Materialien besser zu verstehen.

Topologie ist ein mit der Geometrie verwandtes Teilgebiet der Mathematik. In der Festkörperphysik geht es dabei um die globalen geometrischen Eigenschaften von Quantenfeldern, welche für die Eigenschaften von Materie verantwortlich sind. Man kennt das zugrunde liegende Prinzip auch in unserer klassischen Welt. Körper, die sich stetig ineinander verformen lassen, gelten als topologisch äquivalent, etwa eine Kugel und ein Würfel, oder ein Ring und eine Tasse mit einem Henkel. Dagegen lässt sich eine Kugel nicht stetig in einen Ring verformen. Irgendwann muss sich das Loch öffnen, welches den Ring zum Ring macht, und das stellt einen abrupten Übergang dar, eben so ähnlich wie der Phasenübergang zwischen Wasser und Eis.

Bei topologischen Materialien können sich auf den Oberflächen quantisierte Ladungs- oder Spinströme ausbilden, obwohl das Material im Volumen ein Isolator ist. Die Forscher nutzen nun ultrakalte Atome in optischen Gittern, um Fragen zu topologisch-getriebenen Anregungen näher zu untersuchen. „Lädt man bosonische Atome in ein optisches Gitter, öffnet sich eine gänzlich neue Welt möglicher topologischer Quantensysteme, die in elektronisch kondensierter Materie nicht möglich wären“, sagt Hemmerich.

Topologie

Darstellung der Grundzustandswellenfunktion und der zugehörigen Einheitszelle als graues Rechteck. Die farbigen p- und s-Orbitale sind auf einem flächenzentrierten Quadratgitter mit lokalen Phasen (1, i, -i, -1, farblich illustriert) angeordnet. Durch Kontaktwechselwirkungen in den p-Orbitalen entstehen gleichgerichtete Plaquette-Vortexströme sowie Orbitalströme.

 

Die Forscher schlagen nun zwei Szenarien für optische Gitter mit bosonischen Atomen vor, bei denen das System mit einem einzelnen Atom keine topologischen Eigenschaften vorweist.  „In Kombination mit vielen interagierenden Atomen entstehen jedoch faszinierende neue Materie-Zustände“, sagt Hemmerich. Zusätzlich zu den nicht-topologischen chiralen Grundzuständen, die durch ein Gitter mikroskopischer Stromwirbel gekennzeichnet sind, entstehen an den Oberflächen chirale topologische Anregungen. Hemmerich: „Die Grundlagenforschung an topologischen Quantensysteme kann langfristig dabei helfen die Entwicklung neuer Quantentechnologien wie etwa Quantencomputer voranzutreiben.“

 

Originalpublikationen:
Di Liberto M., Hemmerich A. und Morais Smith C.
Topological Varma superfluid in optical lattices
Physical Review Letters, accepted (2016)
DOI: 10.1103/PhysRevLett.117.163001

Xu Z.-F., You L., Hemmerich A., Liu W. V.
Π-flux Dirac bosons and topological edge excitations in a bosonic chiral p-wave superfluid
Physical Review Letters 117, 085301 (2016)
DOI: 10.1103/PhysRevLett.117.085301