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Natur von mesoskopischen molekularen Ionen enthüllt

Die Untersuchung von Ionen in einer ultrakalten Umgebung kann tiefgehende Einblicke in Ladungstransport geben oder quantenchemische Reaktionen mit vollständiger Zustandskontrolle ermöglichen. Einer Gruppe von Wissenschaftlern um Prof. Peter Schmelcher (Universität Hamburg) ist es jetzt gelungen, die mögliche Größe mesoskopischer molekularer Ionen-Cluster am absoluten Temperaturnullpunkt zu berechnen. Im Journal „Physical Review Letters“ beschreiben die Forscher die detaillierte Untersuchung des quantenmechanischen Zustandes. Dabei entdeckten sie zwei Regime, an deren Übergang das Molekül die maximale mögliche Anzahl an gebundenen Atomen erreicht.

Bei ultrakalten Temperaturen sind Ionen in der Lage, neutrale Atome in sehr schwach gebundene Zustände mit Bindungsradien von bis zu einem Mikrometer zu fangen. Damit bewegt sich schon ein zweiatomiges Molekül am Übergang von der mikroskopischen zu unserer makroskopischen Welt. Bei ununterscheidbaren Atomen mit bosonischem Charakter können sogar mehrere Atome in den gleichen Zustand gebunden werden. Auf diese Weise bilden sich massereiche geladene Molekülcluster aus hunderten Atomen und einem einzigen Ion.

Erste theoretische Vorhersage vor 15 Jahren

Darüber hinaus können sich die Atome in einer schalenartigen Struktur um das Ion anordnen, ähnlich der Anordnung von Elektronen um einen atomaren Kern. „Obwohl schon fünfzehn Jahre seit der ersten theoretischen Vorhersage vergangen sind, sind viele Eigenschaften der molekularen Ionen bislang noch immer unklar, zum Beispiel ihre maximale Größe oder ihre Stabilität. Außerdem fehlt bislang eine experimentelle Bestätigung dieser Vorhersagen. Eine dieser Wissenslücken konnten wir jetzt schließen“, sagt Johannes Schurer, Erstautor der Studie.

Die Forscher berechneten unter anderem die experimentell relevanten atomaren Dichten und deckten die Struktur des gebundenen Vielteilchenzustandes in Abhängigkeit von der Atomanzahl und der interatomaren Wechselwirkung auf. Eine solch detaillierte Untersuchung des quantenmechanischen Vielteilchenzustandes aus einer mikroskopischen Perspektive ist durch die Multi-Layer Multi-Configuration Time-Dependent Hartree Methode für Bosonen (ML-MCTDHB) möglich. Dies ist eine ab-initio Methode zur Berechnung der Vielteilchenwellenfunktion unter Berücksichtigung aller Korrelationen.

Zwei Regionen und Dissoziationsschwelle identifiziert

In ihrer Studie enthüllten die Wissenschaftler das Phasendiagramm von N Atomen und einem einzigen Ion am absoluten Temperaturnullpunkt und eingeschränkt auf eine räumliche Dimension. Dabei entdeckten sie zwei Regionen: eine, in dem alle Atome an das Ion gebunden sind, und eine weitere, in dem ungebundene Atome existieren, welche ein Hintergrundgas für das Moleküle bilden.

Am Übergang zwischen den Regionen konnten die Forscher die Dissoziationsschwelle identifizieren, bei der das Molekül die maximale mögliche Anzahl an gebundenen Atomen erreicht hat. Zudem entdeckten sie eine starke welchselwirkungsinduzierte Selbstlokalisierung des Ions für eine steigende Anzahl an gebundenen Atomen, was auf die Erzeugung einer großen effektiven Masse für das Ion zurückzuführen ist.

Schurer: „In naher Zukunft, werden hybride Atom-Ion Technologien es erlauben, auch derart exotische Zustände von Materie zu untersuchen. Damit könnten unsere Vorhersagen über die Größe und das Selbstlokalisierungsverhalten der mesoskopischen molekularen Ionen bestätigt werden.“

 

Schematische Zeichnung des Verhaltens eines mesoskopischen molekularen Ions aus einem einzelnen Ion (rot) und mehreren Atomen (blau) für steigende Atomanzahl N: Solange die Atomanzahl klein genug ist, typischerweise weniger als hundert Atome (links), können alle Atome an das Ion gebunden werden. Bei Erreichen der kritischen Atomanzahl Nc (Mitte) können keine weiteren Atome an das Ion gebunden werden und es kommt zur Dissoziation. Erhöht man die Atomanzahl weiter (rechts), bildet sich ein freies (ungebundenes) Hintergrundgas, in welches das molekulare Ion eingebettet wird. Illustration: J. M. Schurer

 

Originalveröffentlichung:
J. M. Schurer, A. Negretti, and P. Schmelcher
„Unraveling the Structure of Ultracold Mesoscopic Collinear Molecular Ions“
Physical Review Letters 119, 063001 (2017)
DOI: 10.1103/PhysRevLett.119.063001